In einer der letzten Economist-Ausgaben gab es einige Artikel mit Analysen zur zunehmenden Auseinanderentwicklung der Sprache von (US-) Medien. Sie drücken eine Sorge aus, die ich auch für Europa schon lange habe.
Der eine Artikel American journalism sounds much more Democratic than Republican beschreibt, wie Journalisten eine große Menge von 2‑Wort-Kombinationen mit politischer Färbung (z.B. „stolen election”) als eher links- bzw. eher rechtsgerichtet klassifiziert und Texte vieler großer US-Medien/-Sender von 2017 bis 2022 durch einen Klassifizierer gejagt haben. Die wesentliche Aussage ist, dass insbesondere seit Trumps Amtsantritt die Medien immer stärker in eine bestimmte Richtung driften und andere Meinungen zunehmend weniger verbreiten.
Der andere Artikel Can you have a healthy democracy without a common set of facts? zeichnet historisch nach, dass mediale Disruptionen (fast?) immer zu größerer Fragmentierung des Publikums führten. Von sehr kleinen meinungsstarken Mini-Zeitungen von vor 200 Jahren für eine relativ kleine Elite über technische Zwänge weniger Massenkanäle (Frequenzen/TV-Sender) bis hin zur heutigen immer stärker polarisierenden Medienvielfalt. Interessante Beobachtung:
There is a lot to like about the subscription-based outfits that now rule: what better test of the quality of the work than whether people will pay for it? But such businesses can also be built on pandering to people’s prejudices.
Can you have a healthy democracy without a common set of facts?, The Economist vom 16.12.2023
Wenn Menschen zunehmend invididuell für Nachrichten bezahlen (sollen), ist es nicht erwartbar, wenn sie sich zunehmend diejenigen Quellen auswählen, die ihr bestehendes Weltbild bestärken? Und sie dann auch von „Zumutungen” (anderen Fakten/Meinungen) verschont?
Doch gerade die „Zumutungen” sind es, die Menschen weiterbringen können. Wir müssen als Gesellschaft in der Lage sein, konstruktiv über (fast) alles zivilisiert streiten zu können. Und dafür müssen wir uns auch ernsthaft mit Positionen politischer Gegenseiten auseinandersetzen. Das verlernen wir meines Erachtens zunehmend.
If Trump supporters are anti-democratic racists, why bother trying to win them over?
Can you have a healthy democracy without a common set of facts?, The Economist vom 16.12.2023
Wir versuchen gar nicht mehr zu verstehen, warum bestimmte Menschen bestimmte Positionen unterstützen. So werden Mauern zementiert. Und ohne Auseinandersetzung nehmen wir uns Lernmöglichkeiten, um unsere eigene Position zu bestärken oder anzupassen. Eigentor.
Dieser Trend macht mir schon lange Sorgen. Ich habe leider aber auch keine Lösung dafür. Außer für mich selbst: Ich versuche (so die Zeit es zulässt) möglichst viele unterschiedliche Medien verschiedener „Schlagseiten” zu konsumieren. Sehr wertvoll sind für mich auch einige brasilianische / spanische Quellen, die Themen oft völlig anders darstellen als deutschsprachige oder englischsprachige Medien oder überhaupt auch über andere Themen berichten. Gerade wer mehrere Sprachen spricht, sollte die Möglichkeit nutzen, seinen/ihren sprachlich- und kulturellen Medienmix zu erhöhen.
Aber: Damit mache ich im Prinzip selbst journalistische Arbeit. Muss/Sollte jeder Leser heutzutage wirklich ein Eigen-Journalist sein?