Notizen und Gedanken von Andreas Marc Klingler

Schlagwort: Medien

Für mehr Zumu­tungs­viel­falt in Medien

In einer der letz­ten Eco­no­mist-Aus­ga­ben gab es eini­ge Arti­kel mit Ana­ly­sen zur zuneh­men­den Aus­ein­an­der­ent­wick­lung der Spra­che von (US-) Medi­en. Sie drü­cken eine Sor­ge aus, die ich auch für Euro­pa schon lan­ge habe.

Der eine Arti­kel Ame­ri­can jour­na­lism sounds much more Demo­cra­tic than Repu­bli­can beschreibt, wie Jour­na­lis­ten eine gro­ße Men­ge von 2‑Wort-Kom­bi­na­tio­nen mit poli­ti­scher Fär­bung (z.B. „sto­len elec­tion”) als eher links- bzw. eher rechts­ge­rich­tet klas­si­fi­ziert und Tex­te vie­ler gro­ßer US-Medi­en/-Sen­der von 2017 bis 2022 durch einen Klas­si­fi­zie­rer gejagt haben. Die wesent­li­che Aus­sa­ge ist, dass ins­be­son­de­re seit Trumps Amts­an­tritt die Medi­en immer stär­ker in eine bestimm­te Rich­tung drif­ten und ande­re Mei­nun­gen zuneh­mend weni­ger verbreiten.

Der ande­re Arti­kel Can you have a healt­hy demo­cra­cy wit­hout a com­mon set of facts? zeich­net his­to­risch nach, dass media­le Dis­rup­tio­nen (fast?) immer zu grö­ße­rer Frag­men­tie­rung des Publi­kums führ­ten. Von sehr klei­nen mei­nungs­star­ken Mini-Zei­tun­gen von vor 200 Jah­ren für eine rela­tiv klei­ne Eli­te über tech­ni­sche Zwän­ge weni­ger Mas­sen­ka­nä­le (Fre­quen­zen/TV-Sen­der) bis hin zur heu­ti­gen immer stär­ker pola­ri­sie­ren­den Medi­en­viel­falt. Inter­es­san­te Beobachtung:

The­re is a lot to like about the sub­scrip­ti­on-based out­fits that now rule: what bet­ter test of the qua­li­ty of the work than whe­ther peo­p­le will pay for it? But such busi­nesses can also be built on pan­de­ring to people’s prejudices.

Can you have a healt­hy demo­cra­cy wit­hout a com­mon set of facts?, The Eco­no­mist vom 16.12.2023

Wenn Men­schen zuneh­mend invi­di­du­ell für Nach­rich­ten bezah­len (sol­len), ist es nicht erwart­bar, wenn sie sich zuneh­mend die­je­ni­gen Quel­len aus­wäh­len, die ihr bestehen­des Welt­bild bestär­ken? Und sie dann auch von „Zumu­tun­gen” (ande­ren Fakten/Meinungen) verschont?

Doch gera­de die „Zumu­tun­gen” sind es, die Men­schen wei­ter­brin­gen kön­nen. Wir müs­sen als Gesell­schaft in der Lage sein, kon­struk­tiv über (fast) alles zivi­li­siert strei­ten zu kön­nen. Und dafür müs­sen wir uns auch ernst­haft mit Posi­tio­nen poli­ti­scher Gegen­sei­ten aus­ein­an­der­set­zen. Das ver­ler­nen wir mei­nes Erach­tens zunehmend.

If Trump sup­port­ers are anti-demo­cra­tic racists, why bother try­ing to win them over?

Can you have a healt­hy demo­cra­cy wit­hout a com­mon set of facts?, The Eco­no­mist vom 16.12.2023

Wir ver­su­chen gar nicht mehr zu ver­ste­hen, war­um bestimm­te Men­schen bestimm­te Posi­tio­nen unter­stüt­zen. So wer­den Mau­ern zemen­tiert. Und ohne Aus­ein­an­der­set­zung neh­men wir uns Lern­mög­lich­kei­ten, um unse­re eige­ne Posi­ti­on zu bestär­ken oder anzu­pas­sen. Eigentor.

Die­ser Trend macht mir schon lan­ge Sor­gen. Ich habe lei­der aber auch kei­ne Lösung dafür. Außer für mich selbst: Ich ver­su­che (so die Zeit es zulässt) mög­lichst vie­le unter­schied­li­che Medi­en ver­schie­de­ner „Schlag­sei­ten” zu kon­su­mie­ren. Sehr wert­voll sind für mich auch eini­ge bra­si­lia­ni­sche / spa­ni­sche Quel­len, die The­men oft völ­lig anders dar­stel­len als deutsch­spra­chi­ge oder eng­lisch­spra­chi­ge Medi­en oder über­haupt auch über ande­re The­men berich­ten. Gera­de wer meh­re­re Spra­chen spricht, soll­te die Mög­lich­keit nut­zen, seinen/ihren sprach­lich- und kul­tu­rel­len Medi­en­mix zu erhöhen.

Aber: Damit mache ich im Prin­zip selbst jour­na­lis­ti­sche Arbeit. Muss/Sollte jeder Leser heut­zu­ta­ge wirk­lich ein Eigen-Jour­na­list sein?

Die Links­angst deut­scher „Qua­li­täts­me­di­en”

Ich bin wie­der mal beein­druckt von der Fort­schritt­lich­keit spa­ni­scher Medi­en. El País bin­det seit kur­zem bei Ihren Arti­keln Links auf ähn­li­che Arti­kel von ande­ren Medi­en ein.

Sie­he zum Bei­spiel den Arti­kel zur Gauck-Wahl, im Link unten unter En otros medi­os und dann auf Ver todas. Der Link führt zu einer eige­nen (!) Aggre­ga­ti­ons­sei­te mit eige­nem RSS-Feed dafür. Ich wet­te, es beschwe­ren sich in Spa­ni­en kei­ne ande­ren Medi­en über die­sen Dienst. Was in Deutsch­land los wäre, wenn sich ein gro­ßer Ver­lag das trau­en wür­de, kön­nen wir uns sicher­lich alle vorstellen.

*seufz*… War­um geht das bloß bei uns nicht? Hier ist es ja schon die Aus­nah­me, wenn Links in Arti­kel erschei­nen (wenn auch das ja lang­sam bes­ser zu wer­den scheint.) Die Netz­auf­trit­te deut­scher „Qua­li­täts­me­di­en” hin­ken selbst im Jah­re 2012 der Netz­ent­wick­lung immer noch min­des­tens 5 Jah­re hinterher.

Wei­ter­le­sen

Unser selbst im Netz

Wer sind wir im digi­ta­len Netz? — Die­se hoch­span­nen­de Fra­ge hat­te mich gleich elek­tri­siert, als ich sie letz­te Woche zum ers­ten Mal gele­sen hat­te. Das Netz ver­än­dert Quan­ti­tät und Qua­li­tät von sozia­len Inter­ak­tio­nen, ermög­licht neue Lebens­wei­sen und ein viel­fäl­ti­ge­res „Sein”. So wie die digi­ta­le Welt immer stär­ker in unse­re natür­li­che Welt ein­dringt, gibt es immer stär­ke­re Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen unse­rer „rea­len Iden­ti­tät” und unse­ren „vir­tu­el­len” Iden­ti­tä­ten (die ich hier schon des­we­gen in Anfüh­rungs­zei­chen set­ze, weil sie sich (sicher­lich nicht nur) für mich nicht (mehr) wirk­lich so „vir­tu­ell” anfühlen).

Hoch­span­nen­des The­ma. Ges­tern war ich auf der vom For­schungs­kol­leg Human­wis­sen­schaf­ten der Goe­the-Uni­ver­si­tät Frank­furt ver­an­stal­te­ten Podi­ums­dis­kus­si­on über die­ses The­ma. Aus der Dis­kus­si­on hät­te viel wer­den kön­nen, wenn man Con­stan­ze Kurz und Kath­rin Pas­sig frei hät­te reden und lei­ten las­sen. Statt­des­sen haben sie (mal wie­der) aus der Ver­tei­di­gungs­stel­lung her­aus gegen die schreck­li­chen Gefah­ren die­ses bösen Inter­net­zes = Face­book argu­men­tie­ren müs­sen. Die klu­gen Gedan­ken, die dort erwähnt wur­den, waren mir bereits geläu­fig und Sät­ze wie „Am Inter­net betei­lig­te Pro­du­zen­ten wie Twit­ter” sagen eigent­lich schon genug aus. (Wobei ich nicht erfah­ren habe, aus wel­chen Fabrik­hal­len das Inter­net denn nun in die weltweite Welt aus­ge­lie­fert wird.)

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