Als ich knapp ein Jahr lang in Madrid lebte, fuhr ich oft mit Fernbussen durch Spanien. Daran gewöhnt war es ein echter Rückschritt für mich, in Deutschland immer die Bahn verwenden zu müssen, die durch 3- bis 5‑fach so hohe Preise vom häufigeren Reisen abhält.
Doch bekanntlich ist seit nun knapp einem Jahr das innerdeutsche Fernbusverbot (zu 90%) gefallen. Europäische Normalität kehrt ein und es betreiben mittlerweile mehrere Unternehmen Fernbuslinien innerhalb Deutschlands. Da ich seit November oft von Frankfurt nach Berlin pendele, habe ich mittlerweile achtmal Fernbusse für diese Verbindung verwendet.
Als ich dass öfter mal erwähnt habe, sind Gesprächspartner oft erstaunt darüber gewesen, dass es so etwas überhaupt gibt und jemand solche Farten auf sich nimmt. Aber da ist meist Unwissenheit mit falschen Vorstellungen im Spiel gewesen.
Unterwegs im Fernbus
Die Dauer der Reise von gut 6:30 Stunden für Frankfurt-Berlin empfinde ich nicht als problematisch. Wenn man von dem noch teureren ICE-Sprinter absieht, der die Strecke in 3:45 Stunden schafft, braucht man mit normalen ICE-Verbindungen 4:30 bis 5:00 Stunden. Doch für die andernthalb bis zwei Stunden Zeitersparnis zahlt man dann selbst mit Bahncard 25 das 3- bis 5‑fache. Das ist es mir einfach nicht wert.
Im Komfort sehe ich auch keine Unterschiede. Die Busse sind genauso modern ausgestattet wie in Spanien und haben trotz noch gültiger Mitstörerhaftung Internet-Zugang per Wlan ohne Authentifikation. Jedenfalls zu gefühlt 2/3 der Fahrtzeit, je nach Netzabdeckung. Steckdosen gibt’s auch, wenn auch nicht an jedem Sitz, den man sich aber aussuchen kann. Die Beinfreiheit ist vergleichbar und angesichts der Auslastung von ca. 25 bis 66 Prozent bei meinen bisherigen Fahrten hat man auch praktisch immer beide Sitzplätze zur Verfügung. Wobei sich das im Laufe der Zeit natürlich „verschlechtern” könnte.
Aber… apropos Beinfreiheit: Die Größenverhältnisse sind ein Kritikpunkt, den ich nachvollziehen kann, wenn man etwas größer ist. Ich habe mit meinen 1,80 keine Probleme, weder auf dem Sitzplatz noch auf den Toiletten. Aber ich kann denjenigen verstehen, der mit seinen etwas mehr als 2 Metern Körpergröße meinte, dass ihm alles, besonders die Toiletten, doch zu eng gewesen wären. Da ist es im Zug bestimmt angenehmer. Auch angenehmer im Zug ist es, wenn man jemand ist, dem es schnell schlecht wird, wenn es bei der Fahrt etwas ruckelt — Züge sind naturgemäß ruhiger unterwegs. Im Bus ist es halt wie im Auto.
Bisher bin ich die Strecken mit meinfernbus.de und flixbus.de gefahren. Große Unterschiede feststellen konnte ich nicht, auch kamen bisher immer die gleichen Busmuster zum Einsatz (Setra in verschiedenen Varianten).
Allerdings werden die Zahlungsdaten, wenn man online eine Fahrkarte bucht, an „Zahlungsdienstleister” weitergegeben. Das ist leider nichts ungewöhnliches, die Bahn macht das auch. Da werden auch wieder Daten über einen gesammelt, die in einen großen Topf kommen und anhand denen ein Algorithmus vielleicht mal in 3 Jahren sagen wird, dass ich nicht kreditwürdig bin, weil ich „zu oft” mit dem „billigen” Fernbus unterwegs war. (Wer dazu „Paranoia” sagt, informiere sich bitte und schaue, wie viel „Paranoia” alleine dieses Jahr schon durch die Snowden-Enthüllungen bestätigt wurde.)
Nun ja, dem Grundsatz der Datenvermeidung und ‑sparsamkeit folgend habe ich dafür eine Lösung gefunden: Man kann die Fahrkarten auch gegen Bargeld bei vielen Verkaufsstellen erwerben. Einige verlangen dafür zwar einige Euro Gebühr, viele aber auch nicht. In Darmstadt kaufe ich die Fahrkarten meist an dem Reisebüro an der Ecke zur Kuppelkirche/Staatstheater ohne Aufpreis.
Manchmal kann auch Bahnfahren günstig sein
Wenn man aber flexibel ist, kann man für die Strecke Berlin-Frankfurt auch für 21 bis 26 Euro ICE-Fahrkarten buchen. Der Reiseveranstalter ltur bietet viele Städte- und Urlaubsreisen an und kauft dafür offenbar größere Kontingente von der Bahn ein. Und was nicht verkauft wird, wird verscherbelt. So habe ich bisher zwei mal per ICE für 22 bzw. 26 Euro reisen können.
Da die Fernbusse derzeit auf meiner Relation nie voll sind, kann man die Fahrkarten auch kurz vorher noch kaufen. Daher gehe ich derzeit oft wie folgt vor:
- Ich schaue bis zu einer Woche vorher bis zum Tag vor der Abfahrt immer wieder auf bahn.ltur.com nach, ob es günstige Restfahrkarten gibt.
- Wenn ja, kaufe ich sie direkt dort.
- Wenn nicht, kaufe ich einen Tag vor der Fahrt an einer Verkaufsstelle die Fahrkarte für einen Fernbus.
Seit November bin ich so zweimal auch mit der Bahn von Berlin nach Frankfurt gefahren, da der zeitliche Unterschied für mich relevant gewesen ist. Gut, das eine mal bin ich von Berlin nach Frankfurt am Main aufgrund eines Oberleitungsschadens fast über Frankfurt/Oder gefahren, was dann effektiv auch 6:30 Stunden gedauert hat.
Dazu hat mir eine Bahn-Mitarbeiterin bei der Fahrkostenrückerstattung in Darmstadt einen guten Tipp gegeben: Die Fahrten kosten oft das gleiche, wenn man nicht von Frankfurt, sondern von Darmstadt aus bucht. Und genauso, wenn man nach Berlin Ostbahnhof bucht und nicht nur nach Berlin Hauptbahnhof. Für die Gegenrichtung gilt das natürlich auch.
Ersteres hätte den Vorteil, dass ich im Falle einer starken Verspätung auch Anspruch auf Ersatzbeförderung nach Darmstadt hätte, während ich mit meinem RMV-Semesterticket nachts um 2 in Frankfurt nicht mehr weiterkäme und die Bahn da auch nichts machen müsste.
Letzteres kann vorteilhaft sein, wenn man auch mal etwas weiter Richtung Ostkreuz fahren müsste. Vorher am Hauptbahnhof Berlin aussteigen kann man ja trotzdem.
Was noch fehlt
Etwas, was mir in Deutschland im Vergleich zu Spanien noch fehlt, sind Terminals für Fernbusse. In Spanien hat man an größeren Knotenpunkten oft eigene Gebäude für Fernbusse — im Prinzip wie Bahnhöfe. Mit Sitzgelegenheiten, Geschäften, Info-Ständen und „Schleusen” wie an Flughäfen, über die man bequem und wetterunabhängig in die Busse ein- und aussteigen kann.
In Deutschland dürfte der Normalfall eher so aussehen wie in Frankfurt, wo an einen sowieso schon hässlichen Bahnhofsvorplatz ein paar Schilder hingehängt wurden und die Busse verschiedener Gesellschaften teilweise in zwei Reihen (auch auf der Fahrspur) kreuz und quer halten und man immer aufpassen muss, dass man es auch sieht, wenn irgendwo verdeckt derjenige Bus parkt, den man nehmen möchte. Berlin hat immerhin aus historischen Gründen einen Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB); aber im Vergleich mit vielen spanischen einen recht primitiven.
Fazit
Fernbusse sind für viele — nicht für alle — eine sinnvolle Ergänzung im intermodalen Verkehrsmix.
Ich bin sehr froh darüber, dass ich jetzt dank Fernbussen überhaupt die Möglichkeit habe, mich in Berlin so langsam einleben zu können, ohne Darmstadt gleich verlassen zu müssen — müsste ich 70–80 Euro für jede Fahrt zahlen, wäre vieles für mich deutlich komplizierter.
Ergänzung (19. Dezember 2013): Man sollte die Flexibilität nicht zu Zeiten ausreizen, an denen ein erhöhtes Reiseaufkommen zu erwarten ist. Zum Beispiel (das Wochenende) direkt vor Weihnachten. Ich habe mich spontan entschieden, zwei Tage vorher nach Frankfurt zu fahren und habe dafür schon 10 Euro mehr als üblich bezahlt — ansonsten wären es 50 Euro gewesen. Da hätte ich mal besser doch vier Tage vorher gebucht. Vor Feiertagen und Brückenwochenende sollte ich also in Zukunft aufpassen.
Hallo Andreas,
ich habe mir erlaubt deinen Beitrag in einem Fernbusforum zu posten:
http://fernbusforum.forumprofi.de/Thread-Fern%C2%ADbusse-in-Deutschland-Blogbeitrag
Dort findest du übrigens viele Informationen rund um das Thema Fernbusse in Deutschland.
Schau einfach mal vorbei…
Viele Grüße und allzeit gute Fahrt
twister_f